Eine Schule kommt in die Jahre - Mosaiksteine aus der Schulchronik

 

 

 

Nach einer alten Redensart häufen sich die Feste, Jubiläen und Gedenktage, je älter ein Mensch wird. Ebenso ist es mit einer Schule, die in die Jahre kommt. In diesem Jahr können wir auf zwei solcher Festtage zurückblicken:

Vor 135 Jahren wurde die höhere Schule der Stadt Meschede gegründet; vor 60 Jahren übernahmen die Benediktiner von Königsmünster die Leitung der Schule.

Ich möchte hier an die Übernahme der Rektoratsschule durch den Benediktinerkonvent erinnern und ein Wort von P. Prior Linus Leberle OSB an den Anfang setzen: "Ein Stück unserer Aufgabe ist die Schule", so umschrieb P. Prior im Jahresbericht 1934 die neue Aufgabe des Benediktinerklosters.

Mit der Übernahme der höheren Schule konnten die Mescheder Stadtväter eine ihrer größten Sorgen in die Hände der jungen Gemeinschaft auf dem Dünefeld legen. Bei einer stets zunehmenden Bevölkerung (Meschede zählte im Jahre 1928 4476 Einwohner) und der großen Bautätigkeit, die dadurch bedingt war, konnte es nicht ausbleiben, daß die Stadt vor immer mehr Aufgaben gestellt wurde. Hierzu gehörte im besonderen die Entwicklung des Schulwesens der Stadt. In einem Auszug der Stadtchronik des Jahres 1928 heißt es:

 

,,Mit grosser Sorge musste deshalb die Stadt die Entwicklung des höheren Schulwesens verfolgen, das alljährlich immer höhere Zuschüsse der Stadt erforderte, die auf die Länge der Zeit für die Steuerkraft der Stadt zuviel und deshalb untragbar wurden. War doch in den letzten Jahren der Zuschuss zur Rektorats- und höheren Mädchenschule zeitweilig weit über 50.000 Mark gestiegen, sodass mit Sicherheit die Zeit errechnet werden konnte, wo diese Schulen nicht mehr zu halten, mithin aufgehoben werden mussten. Es wurde deshalb zunächst versucht, den Kreis der Unterhaltsträger zu erweitern, indem die umliegenden Gemeinden und Ämter, aus denen die Schüler kommen, zu den Kosten herangezogen werden sollten. Dieser Versuch scheiterte jedoch restlos, weil keine auswärtige Gemeinde eine Verpflichtung übernehmen wollte. Es wurde versucht, Zuschüsse seitens der Regierung zu erwirken, aber auch hier fand die Stadt nur verschlossene Ohren und Taschen. Mittel hierfür standen nicht zur Verfügung. Um nun die höhere Schule der Stadt zu erhalten, blieb nur die Möglichkeit, eine Ordensgemeinschaft zu gewinnen, deren Mitglieder die Lehrbefähigung für höhere Schulen haben und solche für Missionszwecke unterhalten.
Zunächst musste um die Genehmigung und Mitwirkung der Regierung hierzu nachgesucht werden, weil die jetzt vorhandenen Lehrkräfte an der Rektorats- und Mädchenschule untergebracht werden mussten, weil sonst die Stadt diese weiter zu besolden gehabt hätte. Bürgermeister Ebel und Stadtvorsteher Bange verhandelten dieserhalb persönlich mit der zuständigen Regierungsstelle in Arnsberg und fanden dort durchaus Verständnis für die Nöte der Stadt Meschede. ... Wenn es der Stadt Meschede gelänge, eine Ordensgemeinschaft zu finden, die ihre höh. Schulen übernehmen wolle, würde die Regierung dieses begrüssen im Interesse der Erhaltung der Rektorats- und höheren Mädchenschule und ihrerseits betreffs der Unterbringung der jetzigen Lehrkräfte alles (tun), um der Stadt zu helfen, damit diese Belastung möglichst gering bleibe.
 

Haus in der Steinstraße 28

 

 

Nachdem Bürgermeister Ebel dann bei verschiedenen Ordensgemeinschaften vergeblich angefragt hatte, traf es sich, dass die Missionsbenediktiner von St. Ottilien in Bayern die Absicht hatten, in Westfalen eine neue Niederlassung zu gründen und zu diesem Zwecke Anfangs September 1927 auch Meschede besichtigten. Es waren der Erzabt Norbert Weber vom Mutterkloster St. Ottilien, der Abt Cölestin Mayer von Schweiklberg und der Pater Petrus Wachter OSB, die den Ort dieser Niederlassung, die später Abtei werden soll, feststellen sollten. Da die Benediktiner mit der Ordensniederlassung auch sofort eine Missionsschule verbinden wollten, waren sie den Mescheder Wünschen nicht abgeneigt, und da ihnen der angebotene Bauplatz auf dem Dünefelde zusagte, so kam nach längeren Verhandlungen ein Vertrag zustande, wonach die Gemeinschaft der Missions-Benediktiner von St. Ottilien am 1. April 1928 eine Niederlassung in Meschede errichten und 6 Jahre später, am 1. April 1934 die städtische Rektoratsschule auf ihre Rechnung übernehmen und weiterführen. Die Stadt überlässt ihnen bis dahin das städtische Wohnhaus (früher Hillinger) mit Garten und Anlagen, welches neben der Rektoratsschule liegt, zur vorläufigen Wohnung und das Schulgebäude zur Benutzung, bis sie selbst die notwendigen Schulräume gebaut haben und weiterhin solange sie das Gebäude für andere Schulzwecke benötigen."
"Die Stadt Meschede stellt der Ordensgenossenschaft die benötigten Grundstücke, etwa 50 Morgen auf dem Dünefelde zur Verfügung und liefert aus dem Stadtwalde für alle Klosterbauten, die innerhalb der nächsten 25 Jahre auf dem Dünefelde errichtet werden, das benötigte Bauholz und wird die Genossenschaft auch sonst nach Möglichkeit unterstützen durch die Vornahme notwendiger Wegebauten, Kanalisierungen und freie Wasserlieferung."
 

Soweit der Auszug aus der Stadtchronik, der unserem Klosterarchiv von Herrn Stadtvorsteher Anton Bange übergeben wurde.

Nicht nur für die höhere Schule der Jungen konnte eine Gemeinschaft gefunden werden, sondern auch für die höhere Mädchenschule. Die Gemeinschaft der Armen Schulschwestern auf der Brede, die schon in Arnsberg ein Lyzeum unterhielt, trat ebenfalls in Verhandlungen mit der Stadt Meschede. In einem für die Stadt günstigen Vertrag wurde die höhere Mädchenschule bereits Ostern 1929 von den Schwestern übernommen, so daß die Stadt diese unerträglich gewordenen Schullasten abgeben konnte. Die Mädchenschule mit Kloster für die Schulschwestern sollte am Hinthagen erbaut werden. Zu diesem Zwecke erwarb die Stadt 17 Morgen Land, die der Genossenschaft übereignet wurden. Die später eintretende Wirtschaftsverschlechterung veranlaßte die Schwestern mit Zustimmung der Stadt, auf den Neubau zunächst zu verzichten. Sie erwarben 1932 das alte Gesellenhaus am Klausenweg, welches für Schulzwecke umgebaut und eingerichtet wurde.

Am 1. Juni 1934, 75 Jahre nach Gründung der Bürgerschule in Meschede, übernahm der Benediktinerkonvent von Königsmünster die Leitung und Verantwortung für die fünfklassige höhere Schule. Schon am 22. Mai 1931 war P. Hermann Weggartner nach dem Tod von Rektor Wagner durch das Schulkuratorium zum neuen Rektor gewählt worden. Bis zur endgültigen Übernahme der Schule durch die Benediktiner lehrte er als Beamter der Stadt Meschede.

Dem Lehrkörper gehörten im Jahr der Übernahme an:

Rektor P. Hermann Weggartner OSB

P. Paschalis Neumair OSB

Stud. Ass. Joseph Frielinghaus

Mittelschullehrer Johann Stehling (bis 12. Juni 1934)

Mittelschullehrer Hans Eckermann

Stud. Ass. Alfons Steens

Stud. Ass. Anno Höller (seit dem 12. Juni 1934)

Die Schüler-Statistik für das Schuljahr 1934/35 verzeichnet:

 

KLASSE SCHÜLER KATH. EV. ANDERE STADT UMGEBUNG KONVIKT
OIII 20 18 1 1 6 8 6
UIII 27 26 1 - 7 10 10
IV 22 22 - - 6 12 4
V 23 20 2 - 6 8 9
VI 34 29 3 2 17 12 4
Summe 125 115 7 3 42 50 33

 

Die Schulchronik vermerkt zum Wechsel in der Leitung der Rektoratsschule nur die kurze Notiz: "Am 1. Juni wurde die Schule von den Benediktinern zu Königsmünster/Meschede übernommen. Lehrer und Schüler nahmen an dem feierlichen Eröffnungsgottesdienst in der Kapelle des Klosters um 8.00 Uhr teil. Sonst fand keinerlei Feierlichkeit statt."
Die Verantwortung für die Schule sollte nur sechs Jahre in den Händen der Benediktiner liegen. Denn ab Ostern 1940 mußte "im Zuge der Zeit" die Schule der Stadt Meschede zurückgegeben werden, wenn sie überhaupt weiter bestehen sollte. Sieben Patres und drei Laienlehrer führten von Ostern bis Juni 1940 den Lehrbetrieb im Auftrage der Stadt weiter wie bisher. Am 12. Juni 1940 erhielt das Kloster die Mitteilung, daß der Leiter der Schule, P. Harduin Bießle, zum 15. Juni durch Verfügung des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen seines Amtes enthoben und an seiner Stelle Studienrat Dr. Heinrich Schoppmeyer ernannt wurde.
In einer Abschiedsansprache bereitete P. Rektor Harduin die Schüler auf den Wechsel in der Trägerschaft der Schule vor. Darin heißt es:
 

 "Wie Ihr wißt, ist seit Ostern 1940 nicht mehr das Benediktinerkloster, sondern die Stadt Meschede Trägerin der Rektoratsschule. Der Grund für diesen Wechsel ist darin zu sehen, daß Privatschulen von der Regierung weitgehend eingeschränkt werden. Vor allem will man Priester und Ordensleute als Erzieher der Jugend ausschalten. So mußten wir seit Ostern mit unserem Abgang von der Schule rechnen. Am nächsten Montag wird nun ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Rektoratsschule beginnen.
Nach bisherigen Mitteilungen werden vorerst ein neuer Schulleiter und zwei weltliche Lehrkräfte eintreffen. Wer von der Patres zunächst noch an der Schule bleibt, ist noch nicht sicher. Jedenfalls spreche ich heute zum letzten Mal als Schulleiter zu Euch.
Als erstes möchte ich ein Wort des Dankes sagen. Zuerst den Lehrern für ihre treue Mitarbeit. Dann auch Euch, meinen lieben Schülern. Ich danke Euch für das Vertrauen und die Liebe, die Ihr uns entgegengebracht habt; für die frohe, unbeschwerte Jugendlichkeit, mit der Ihr uns erfreut habt.
Ihr sollt auch wissen, daß wir Euch von Herzen verzeihen, wenn Ihr Euch mal daneben benommen habt. Es war mehr Euer jugendliches Ungestüm, als böser Wille, wenn mal etwas nicht ganz in Ordnung war.
Meine lieben Schüler! Möge das, was wir in Euch hineinzupflanzen begonnen haben, als schöne Saat heranreifen: Das unermüdliche Streben nach Vervollkommnung Eures Wissens, verbunden mit der Liebe zu allem Guten und Schönen, die wurzelt in der Liebe zu Gott, dem vollkommensten und höchsten Gut, in der Liebe zum 'Vater der Lichter', von dem alles wahre Licht und jede wahre Freude kommt!
Möget Ihr recht gute und wohlwollende Führer erhalten auf diesem Weg zum Ziel in Euren neuen Lehrern (schon euretwegen habe ich diesen Wunsch), und möget Ihr so die Grundlage für ein wahrhaft glückliches Leben legen! Ein solch innerlich reiches und glückliches Leben kann auch der Gemeinschaft von Volk und Vaterland etwas bieten.

 

Die Schüler der Rektoratsschule im Juni 1940

 

Liebe Schüler! Wir waren eine Lebensgemeinschaft; sie bekommt jetzt ein anderes Gesicht. Wir wollen unsere bisherige Lebensgemeinschaft festhalten, indem wir uns heute um 12.00 Uhr noch einmal zusammen dem Fotografen stellen. Aber auch so nehmen wir unser Bild im Herzen mit: Wir das Eure, und Ihr das unsere, das Bild Eurer Lehrer aus dem Benediktinerkloster; und Ihr werdet dieses Bild Euch nicht entstellen lassen, weil Ihr uns kennt."
Wenige Tage später, Montag, den 16. Juni 1940, übernahm Studienrat Dr. Heinrich Schoppmeyer die Leitung der Schule. Die Schulchronik vermerkt: "In einer Feierstunde, die auf dem Schulplatz stattfand, dankte Bürgermeister Scherf, der vom Amtsbeigeordneten Niggemann begleitet war, dem bisherigen Lehrkörper für die geleistete Arbeit, begrüßte und führte den neuen Leiter Studienrat Dr. Schoppmeyer ein. Dieser versprach, seine Kräfte in den Dienst der Schule zu stellen, begrüßte die Schüler und legte in einer kurzen Ansprache Aufgabe und Ziel unserer heutigen Erziehung dar. Die Feierstunde fand mit der Führerehrung, dem Hissen der Flagge und dem Singen der Nationallieder ihren Abschluß."
 

Ein Teil des Lehrkörpers im Dezember 1940: P. Harduin, Dr. Schoppmeyer, Frl. Nüssen und zwei Assesorinnen

 

Neben Dr. Schoppmeyer kamen Studienrat Hans Anton Fischer, Studienassessorin Hedwig Gomoletz, Studienassessorin Paula Plato und Studienassessorin Maria Nüssen als neue Lehrkräfte an unsere Schule. Da der Schulleiter im Wehrdienst stand und noch am selben Tag zu seiner Dienststelle zurückkehren mußte, übernahm seine Verantwortung in der Leitung der Schule Studienrat Fischer. Im Unterricht wurde Dr. Schoppmeyer vertreten durch P. Harduin Bießle OSB, den Musikunterricht erteilte P. Eusebius Leis OSB, den Unterricht in Kunsterziehung P. Witgar Dondorfer OSB und den Unterricht in katholischer Religion P. Sturmius Grün OSB. Im Laufe der folgenden Wochen erfolgte die Bestellung weiterer weltlicher Lehrkräfte, so daß nach den Sommerferien nur noch P. Harduin die Stelle eines Religionslehrers versah, der aber wegen Mangel an Lehrkräften ab 1. Oktober auch mit anderen Fächern betraut wurde. Mit der Beschlagnahme des Klosters Königsmünster und der Ausweisung der Mönche durch die Gestapo am 19. März 1941 endeten die ersten Jahre der Verantwortung für die Rektoratsschule durch die Benediktiner. In der Schulchronik findet sich am Tag der Auflösung folgender Eintrag: "Wir scheiden ohne Groll und Verbitterung aus unserem liebgewordenen Wirkungsfeld. ... Gott allein weiß, ob und wann überhaupt je wieder in deutschen Landen die Söhne des hl. Benediktus am Werk der Erziehung und Bildung der Jugend mitarbeiten werden. Trotz all dieser Unsicherheiten und Ungewißheit, die uns heute umgibt, legen wir vertrauensvoll unser Geschick und das der Jugend in die Hände des gütigen und allmächtigen Gottes, der uns nicht verlassen wird."
Die Kloster- und Schulgebäude wurden beschlagnahmt und einer neuen Aufgabe zugeführt. Im "Mescheder Wind", einer Zeitung für Mescheder Soldaten, berichtete Bürgermeister Scherf über die zukünftigen Pläne: "Das Gelände auf dem Klosterberge, das in den Besitz der Stadt gekommen ist, wird die so genannte 'Stadtkrone' erhalten. Dort wird sich das kulturelle Leben der Stadt in Zukunft abspielen. Neben Schulbauten, Turnhalle und einem Hitler-Jugend-Heim wird es vielleicht zur Erbauung einer Stadthalle kommen, die die Mescheder Bürger an den Feier- und Freudentagen der Zukunft vereinen wird." (Februar 1943).
Als im Februar 1945 Meschede durch schwere Luftangriffe heimgesucht und stark zerstört wurde, mußte die Schule am 19. Februar 1945 geschlossen werden. Ein gemeinsames Stück Mescheder und benediktinischer Geschichte ging vorerst zu Ende.
 

P. Dr. Dominicus Meier OSB