Die höhere Jungenschule zu Meschede im Nationalsozialismus

Teil I

 

"Kampf um die Jugend bedeutet für jedes totalitäre System letztlich Kampf ums eigene Überleben, denn mit der Jugend soll der 'neue Mensch' heranwachsen, der das Überleben des Systems garantiert, der die Glaubenssätze der herrschenden Ideologie so verinnerlicht hat, daß sie ihm nie mehr zweifelhaft werden. Im nationalsozialistischen Deutschland war dies der Glaube an den 'Führer' als die Gestalt des innerweltlichen Erlösers, der Glaube an die Überlegenheit der arischen Rasse, an den Weltherrschaftsanspruch Deutschlands und nicht zuletzt an die Einigkeit aller Deutschen, garantiert durch eben die genannten Glaubenssätze, die Herrschaft der NSDAP und die Erfassung aller Deutschen in dieser Partei, ihren Gliederungen und Nebenorganisationen", so beginnt Joachim Kuropka seine Darstellung über Schule und Jugenderziehung in seinem Artikel: "Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Münster" (1).

Diesem nationalsozialistischen Anspruch traten die Kirchen mit ihrem konfessionell gebundenem Schulsystem entgegen. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die NSDAP Mitte der dreißiger Jahre einen Kampf gegen die Bekenntnisschulen begann. "Die Zeiten lassen doch darauf schließen, daß über kurz oder lang ein Kampf um die Schule auch bei uns entbrennt", hatte Reichskanzler a.D. Wilhelm Marx (2) im Mai 1936 geargwöhnt und vorbeugende Abwehrmaßnahmen angeraten (3). Beiträge in der parteiamtlichen Presse ließen keinen Zweifel mehr daran, daß die "christliche Verwirrung und Entzweiung" (4) aus den Schulen getilgt werden und die Beseitigung des kirchlichen Einflusses auf die Schule nur noch eine Frage der Zeit sein sollte.

Mit der Jahreswende 1936/37 setzte eine Propagandawelle gegen die Bekenntnisschulen, der wichtigsten Front im Schulkampf, mit großer Heftigkeit ein. Am 01. Mai 1937 sah sich Hitler veranlaßt, auf die Vorwürfe eines Kampfes gegen die konkordatsgeschützte Bekenntnisschule und die nur noch formelle Aufrechterhaltung eines Religionsunterrichts zu reagieren: "Es gibt nur ein deutsches Volk und es kann daher auch nur eine deutsche Jugend geben! Und es kann nur eine deutsche Jugendbewegung geben, weil es nur eine deutsche Jugenderziehung und Jugendbildung gibt! Und die wenigen, die vielleicht noch im Innern glauben, daß es doch noch einmal gelingen könnte, das deutsche Volk von der Jugend her beginnend wieder auseinander zu bringen, sie werden sich täuschen. Dieses Reich steht, und es baut sich weiter auf auf seiner Jugend! Und dieses Reich wird seine Jugend niemandem geben, sondern sie selbst in seine Erziehung und in seine Bildung nehmen (5)." Diese programmatische Rede war ein frontaler Angriff Hitlers gegen alle Religionslehrer und insbesondere gegen die Schulorden, die ja die Träger des kirchlichen Privatschulwesens waren. Der Bogen der Entkonfessionalisierungsmaßnahmen erfaßte die Erziehungseinrichtungen von den Kindergärten über die Schulen bis hin zu den Universitäten.

Es liegt daher nahe zu fragen, wie in Meschede gegen die höhere Jungenschule der Benediktiner vorgegangen wurde. Hat es Auseinandersetzungen mit der NSDAP über Bildungsziele und Jugendveranstaltungen gegeben? Wie lange konnte die Leitung der Schule in der Hand des Ordens verbleiben? Gab es Ausschreitungen gegen jüdische Schüler? Auf Grund der Fülle der Fragen, aber auch der Archivmaterialien in Kloster und Schule, soll in diesem und im nächsten Rundbrief dieser Thematik nachgegangen werden.
 

Die Schule als Lehranstalt

 

Einladungsschreiben zum Schuljubiläum/Festakt am 26. Juli 1934

 

Das Jahr nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten brachte zunächst ein wichtiges Ereignis, die Feier des 75jährigen Bestehens der Schule. Die Feierlichkeiten wurden auf den 25. und 26. Juli 1934 festgelegt.

Der erste Tag stand ganz unter dem Eindruck der Begegnung mit den "Ehemaligen" im Hotel Böhmer; der zweite Tag brachte die äußere Feier des Jubiläums. Nach einem Dankhochamt in der Stadtpfarrkirche und einer Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal auf dem Stiftsplatz fand der eigentliche Festakt auf dem Schulhof an der Steinstraße statt.

Die Festreden beider Tage lassen in Ansätzen den neuen Geist Deutschlands anklingen, wenn es sich auch zuweilen nur um eine Wortanlehnung handelt. In seiner Begrüßungsrede sprach Dr. Hecker als Vorsitzender des Festausschusses vom "deutschen Sinn", "dem deutschen Heimatgefühl" "als Quelle neuen Aufstiegs, dem wir jetzt entgegengehen." (6)

Pater Hermann Weggartner, der damalige Direktor der Schule, betonte in seinen Ausführungen zur Geschichte der Lehranstalt, daß die Benediktiner in Deutschland wahre nationale Gesinnung gepflegt hätten, sie hätten Jahrhunderte hindurch Führer des Volkes erzogen in des Wortes weitestem Sinne. Dabei seien die christlichen Werte und die benediktinische Tradition die Säulen der Erziehung gewesen und an die Jugend vermittelt worden.

Allein der stellvertretende Stadtvorsteher Busch schloß seine Gratulation mit einem "Sieg - Heil". "Es wäre undankbar, wenn wir am Schluß dieser Feier nicht des Mannes gedenken, der das deutsche Volk vom Rande des Verderbens zurückgegriffen hat, des Mannes, der gezeigt hat, wie sehr ihm die Bildung des Volkes am Herzen liegt: unseres Führers und Volkskanzlers Adolf Hitler. Sieg - Heil!" (7)

Die Feierlichkeiten waren aber vor allem noch ein Schulfest; sie ließen aber die neue Geisteshaltung des Nationalsozialismus und die Zeichen der Zeit schon erkennen.

In den folgenden Jahren wurde es für die Mönche immer mühsamer, an ihrer Schule einen christlich-benediktinischen Geist an die jungen Menschen weiterzugeben. "Mit Beginn des Krieges", so berichtet Abt Harduin Bießle, der zweite Schulleiter, "wurde es immer schwieriger, ernstes wissenschaftliches Streben mit dem neuen 'Geist der Zeit' in Einklang zu bringen; die Bildungsziele der Benediktiner gerieten in Konflikt mit der 'weltanschaulichen Erziehung' und 'körperlichen Ertüchtigung' der damaligen Machthaber." (8) Eine Konfrontation mit den Regierungsstellen war vorherzusehen.

Am 28. März 1940 ging die Trägerschaft der Schule vom Kloster wieder auf die Stadt über. Sie führte die höhere Schule der Benediktiner als städtische Oberschule für Jungen (Klassen 1-5), wobei die Leitung der Schule einstweilen beim bisherigen Rektor P. Harduin verblieb. Zum 15. Juni 1940 verfügte jedoch der Oberpräsident der Provinz Westfalen in Münster die Ablösung des klösterlichen Schulleiters durch einen neuen Leiter, Herrn Dr. Heinrich Schoppmeyer, und nur wenige Tage später wurden der Schule vier weitere Lehrkräfte von auswärts zugewiesen, so daß die klösterlichen Lehrkräfte mit dieser Maßnahme "überflüssig" wurden (9). Am 1. Juli schieden P. Sturmius Grün, P. Witgar Dondorfner und P. Eusebius Leis aus dem Lehrerkollegium aus (10).

Als Religionslehrer konnte P. Harduin nach den Sommerferien 1940 vorübergehend an der Schule bleiben und infolge des Mangels an Lehrkräften ab Oktober 1940 auch mit anderen Fächern beschäftigt werden. Mit der Beschlagnahme des Klosters am 19.03.1941 und der Vertreibung aller Mönche endete auch diese letzte Verbindung der Benediktiner mit ihrer Schule.

Die Stadt Meschede betrieb in Zusammenarbeit mit dem neuen Schulleiter Dr. Schoppmeyer nun stetig den Ausbau der fünfklassigen Schule zur Vollanstalt. Am 12. August 1941 teilte der Oberpräsident der Provinz Westfalen, Abteilung für höheres Schulwesen, dem Amtsbürgermeister von Meschede mit, daß ein erster Schritt auf diesem Wege genehmigt sei (11). Mit Beginn des neuen Schuljahres wurde die 6. Klasse eingerichtet. Dr. Schoppmeyer berichtete am 08. September 1941 nach Münster den Vollzug der Errichtung der 6. Klasse. "Die Klasse 6 ist am heutigen Tage eingerichtet und in einem neu hergestellten und mit neuen Bänken versehenen Raum untergebracht. Die Schülerzahl beträgt 16. Wandschmuck ist in ausreichendem Maße vorhanden. Unterrichtsmittel für die naturwissenschaftlichen Fächer sind in Höhe RM 3.500,- in Auftrag gegeben. Die Schulbücherei, die für diese Klasse auf 40 Bände vorgesehen ist, befindet sich in Vorbereitung." (12)

Am 04. September 1942 stellten die Mescheder Ratsherren beim zuständigen Oberpräsidenten in Münster den Antrag auf Ausbau zur Vollanstalt, den dieser an den Reichserziehungsminister weiterleitete. In ihrem Antrag erklärten sich die Ratsherren bereit, "für die Oberschule für Jungen im Gelände des künftigen Schulneubaus (Benediktinerkloster) eine eigene Turnhalle zu errichten, und zwar unabhängig davon, ob für die dortige Volksschule und andere Einrichtungen eine weitere Turnhalle errichtet wird." (13) Am 11. September 1942 stimmte der Referent des Reichserziehungsministers, Oberschulrat Dr. Bittner, dem Bürgermeister fernmündlich der Errichtung der 7. Klasse für das Schuljahr 1942 zu. Damit waren wichtige Mosaiksteine für den Ausbau der städtischen Oberschule zur Vollanstalt gelegt.

Mit Schreiben vom 01. April 1943 genehmigte der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung den Ausbau der städtischen Oberschule für Jungen in Meschede zu einer Vollanstalt (14). Ein Bericht in den Anlagen zur Schulchronik vermerkt hierzu: ,,Die ministerielle Genehmigung zum Ausbau der Städt. Oberschule als Vollanstalt war der Anlass zu einer kurzen Feier bei der Flaggenhissung auf dem Schulhof. Dazu waren ausser der Schulgemeinde der Kreisleiter Pg. Quadflieg, der Ortsgruppenführer Pg. Busch, der Bürgermeister, die Ratsherren der Stadt und die Schulbeiräte für das höhere Schulwesen erschienen.

Bürgermeister Pg. Scherf schilderte die Anfänge der sogen. 'Rektoratsschule' vor fast 100 Jahren - 1859 - mit 30 bzw. 12 Schülern und verglich sie mit der heute 320 Schüler zählenden Oberschule, deren unterrichtliche Leistungen den Ausbau nach dem Urteil der Schulaufsichtsbehörde wünschenswert gemacht haben. Er drückte die Freude der Stadt und der Eltern über diese Tatsache aus und forderte die Schüler auf, mit Kraft und Frische der Jugend das zu erfassen, was hier geboten werde. Der Leiter der Anstalt, Oberstudienrat Pg. Dr. Schoppmeyer, dankte den Ratsherren und vor allem dem Bürgermeister für ihren eifrigen und selbst persönliche Opfer nicht scheuenden Einsatz, durch den erst die Überwindung so vieler kriegsbedingter Schwierigkeiten und damit die neue Entwicklung überhaupt möglich gewesen sein. Das Wort 'Im Krieg schweigen die Wissenschaften' gelte heute nicht mehr; denn auch und gerade im Krieg habe unser Volks, das um seine Führerstellung in Europa kämpft, die Verpflichtung, seine Jugend auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten. An die Jungen wandte er sich mit dem Wort 'Wer ein Warum hat, kann jedes Wie ertragen' und forderte sie auf, trotz aller Schwierigkeiten hart zu bleiben und die Pflicht zu erfüllen im Hinblick auf das grosse Ziel; das Erbe der Männer in würdige und starke Hände zu nehmen, die heute für Deutschlands Zukunft das Letzte opfern. Dem Führer als dem Vorbild strengster täglicher Pflichterfüllung für das gleiche Ziel galt der abschliessende Gruß." (15)

Mit besonders großer Freude und Stolz vermeldete die Schule am 17. Februar 1944 in der Lokalpresse, daß unter Vorsitz von Oberschulrat Sanden und in Gegenwart des Bürgermeisters die erste Reifeprüfung an der Städtischen Oberschule abgelegt wurde. "Die Prüflinge Alfred Frickenstein, Rudolf Salingré und Johannes Wilmers haben die Prüfung bestanden. Der Oberschule wurde an diesem Tage endgültig das Recht zur Ausstellung des Reifezeugnisses zuerkannt. In einer schlichten Schulfeier nahmen drei Abiturienten und neun zum Reichsarbeitsdienst einberufene Schüler der Klassen 7 und 6 von der Schule Abschied." (16)

 

Das Lehrerkollegium um Dr. Schoppmeyer

 

Dr. Schoppmeyer legte ihnen die Mahnung ans Herz, "Wanderer zwischen beiden Welten zu sein: in der Welt des Krieges ihren Mann stehen und doch stets auf die Welt des Geistes ausgerichtet zu bleiben wie Walter Flex und die Helden von Langenmarck." (17) Er entließ die Abgehenden aus der Schule, nicht aber aus der Gemeinschaft, der sie mit besten Wünschen auf immer verbunden bleiben sollten.

Als im Februar 1945 Meschede durch schwere Luftangriffe heimgesucht und stark zerstört wurde, mußte die Schule am 19. Februar ihre Tore schließen. Das Gebäude war durch fünf Brandbomben getroffen, wobei ein Schüler starb. Die Schule wurde bis auf weiteres als Obdachsammel- und Kartenausgabestelle genutzt.
 

Der Schüleralltag

 

Nachdem die äußeren Bedingungen für den Lehrbetrieb an der Oberschule trotz der Kriegswirren aufrechterhalten werden konnten, bleibt zu fragen, wie sich der Zeitgeist der damaligen Machthaber im Alltag der Schüler widerspiegelte.

Einen Einblick in den Schulalltag gibt der Jahresbericht über das Schuljahr 1940/41, den Dr. Schoppmeyer erstellte. Besonders betont er die Leistungen in den Fächern Kunsterziehung und Mathematik. Der Kunstunterricht förderte besonders die Wehrerziehung durch das Anfertigen von Zeichnungen und Modellen zu dem Themen "Seefahrt ist not" und "Das deutsche Volk muß ein Volk von Fliegern werden". Im Mathematikunterricht wurde entsprechend der in "Erziehung und Unterricht" gegebenen Richtlinien die Werkarbeit der Schüler nutzbringend gefördert und ausgewertet. Mathematische Aufgaben kreisen um die Berechnung von Raketenreichweiten über Winkelmessung bis hin zu Wasserverdrängungsberechnungen der U-Boote.

Besonders aber im Deutschunterricht hinterließen die Zeitereignisse ihre Spuren. Die gestellten Aufgaben und Aufsatzthemen verherrlichen Hermann Göring und andere "NS-Größen". In den unteren Klassen ist der Einsatz der Hitlerjugend für den Krieg thematisiert. Selbst bis in den Lateinunterricht hinein ist das Ringen um den "deutschen Stil" sichtbar. Im Vorwort zur Lateinischen Schulgrammatik aus dem Jahre 1941 heißt es: ,,Diese Grammatik soll ihm (sc. dem Schüler) in seinem Bemühen um guten deutschen Stil (der Lehrer möge immer bedenken, daß der sich um so später bildet, je nordischer die Wesensart eines Jungen ist!) nach Kräften helfen und ihn so befähigen, Einblick zu gewinnen in Denken und Ausdrucksformen zweier großer Nationen, der deutschen und der römischen." (18)

Das Einwirken der Reichsministerien ging infolge der kriegspolitischen Umstände sogar bis in den deutschen Wortschatz hinein. Am 18. Dezember 1943 erging auf Veranlassung des Reichsministers des Innern und des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda - Interministerieller Luftkriegsschädenausschuß - eine Mitteilung an alle Schulen, worin es hieß: "Das Wort 'Katastrophe' hat sich im Zusammenhang mit Luftangriffen und der Beseitigung der Folgen der Luftangriffe insbesondere für den Sondereinsatz der Wehrmacht und der Parteigliederungen eingebürgert.

Ebenso war es bisher üblich, die zur Durchführung von Hilfsmassnahmen eingesetzten entwickelten Fahrzeuge mit einem Schild 'Katastropheneinsatz' kenntlich zu machen. Ich bitte, dafür zu sorgen, dass aus allen Organisationsplänen, Erlassen und Verordnungen und aus dem gesamten Sprachgebrauch das Wort 'Katastrophe' ausgemerzt wird, da es sich psychologisch und politisch unerfreulich auswirkt. Ich empfehle anstelle des Wortes 'Katastropheneinsatz' einheitlich die Verwendung des Wortes 'Soforthilfe'." (19)

Im Geschichtsunterricht setzten sich die Schüler in einem Schwerpunkt mit den deutschen Kolonien auseinander. Schulhefte mit der Aufschrift: "Deutschland muß wieder Kolonien haben!" wurden erstellt, die Größe, Bevölkerung, Geschichte "Deutsche Leistung", Ausfuhrerzeugnisse u.ä. enthielten. Die Kolonien wurden weiterhin als deutsch bezeichnet - sie stehen nur unter dem Mandat von England, Frankreich u.a. . Ein weiteres Heft hatte die Geschichtsdaten festzuhalten, vor allem solche Daten, die mit der NS-Ideologie konform gingen und die wichtigsten Ereignisse aus der Entstehung des Dritten Reiches festhielten. Die Abzeichen und Flaggenlehre des NS-Regimes gehörten ebenso zu den Lerninhalten. Ergänzung fand der Unterricht durch Schülerreferate zu tagespolitischen Ereignissen.

Die Auswertung der Schularchivarien belegt, daß spätestens seit Frühjahr 1936 der "Nationalsozialistische Unterricht" (NSU) zum festen Bestandteil des Fächerkanons der Schule gehörte. Der NSU war eine Art Geschichtsunterricht, der sich mit der Geschichte von 1889 (Hitlers Geburtsjahr) bis zur Wiedereingliederung des Saarlandes im Jahre 1935 beschäftigte. In den Jahr 1938 bis 1940 kommt es zur Einführung "nazistischer Lehrbücher", vor allem im Bereich der Fächer Biologie und Geschichte.

Hand in Hand gingen mit dieser Entwicklung die äußeren Veränderungen durch den Nationalsozialismus. Das Kreuzzeichen und Gebet zu Beginn des Unterrichts wurde durch den Hitlergruß ersetzt; zu besonderen Festtagen der Schule fanden ab 1939 Flaggenappelle auf dem Schulhof statt, z.B. am 22. Juni 1940: Feierstunde anläßlich des Waffenstillstandes mit Frankreich; 09. November 1940: Gedenkstunde zur Erinnerungen an den 09. November 1923; 30. Januar 1941: Feierstunde zum Gedenken des achten Jahrestages der nationalen Erhebung; 17. Mai 1941: Feierstunde zur Ehren der deutschen Mutter und der deutschen Familie, sowie zu Beginn und Beendigung des Schuljahres.

Eine für Schüler einschneidende Veränderung brachte das Jahr 1940. Ihr Statussymbol, die Schülermützen in ihren jeweiligen Farben, wurde ohne Angabe von Gründen abgeschafft und das Tragen der HJ-Uniformen gestattet.

Die Konfrontation zwischen kirchlicher und staatlicher Jugenderziehung verstärkte sich immer mehr. Nachdem 1940 die Schule der Benediktiner wieder in die städtische Trägerschaft überging, kam es zu Absprache zwischen der HJ und der Schule:

In einem Protokoll vom 08. September 1941 ist die Einflußnahme der NSDAP noch deutlicher feststellbar. "Alle Schüler der Klassen 1 bis 4, die leistungsmäßig, rassisch und körperlich infrage kommen, sind für die NAPOLA zu melden, Bei der Auswahl muß ein besonderes Augenmerk auf gutes Aussehen gerichtet werden. Geeignete Schüler der Klassen 1 und 2 sind für das musische Gymnasium in Frankfurt zu melden. Zu den oben erwähnten Anforderungen kommt noch überdurchschnittliche musikalische Begabung hinzu." (21)

Die Eingebundenheit der Jugend in den Parteiapparat und die Ziele des NS-Staates zeigt sich fernerhin in den verschiedenen außerschulischen Betätigungen. Mit großer Anteilnahme beteiligten sich die Schüler vom 14. Lebensjahr an im Kriegshilfsdienst. In den großen Ferien 1940 wurden von 152 Schülern 29.075 Stunden Kriegshilfsdienst geleistet (22). Im Januar 1941 begann eine breite Sammeltätigkeit von Altmaterial (23), da bis dahin geeignete Räume zur Unterbringung des Altmaterials nicht vorhanden waren. Gesammelt wurden: Lumpen: 390 kg; Schrott: 2371 kg; Gummi 386 kg; Papier 1578 kg; Buntmetall: 43 kg; Knochen 23 kg. Die Gesamtpunktzahl betrug 8447 Punkte. Das ergab für jeden Schüler eine Durchschnittszahl von 46 Punkten. Daneben trugen die Schüler 53.250 kg Trockengewicht Wildblätter und 5.745 kg Trockengewicht Wildblüten zusammen (24).

 

P. Dr. Dominicus Meier OSB

 


Anmerkungen:

  1. Joachim Kuropka, Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Münster, in: Westfälische Zeitschrift, Bd. 137 (1987) 159-182, hier: 170 f.

  2. Wilhelm Marx (1863-1946), 1910-1932 MdR (Zentrum), 1921-1928 Vorsitzender der Zentrumspartei, Nov. 1923 bis Dez. 1924 und Mai 1926 bis Juni 1928 Reichskanzler.

  3. zitiert nach: Ulrich v. Hehl, Katholische Kirche und Nationalsozialismus im Erzbistum Köln, in: Veröffentlichung der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe: B: Forschungen Bd. 23, Mainz 1977, 139.

  4. Zum Auftakt hatte der Westdeutsche Beobachter (Nr. 41 vom 23. Januar 1937) die "Entkonfessionalisierung der Volksschule" anhand des Münchner Beispiels hervorgehoben. Zitiert bei Heinz Hürten (Hrsg.), Deutsche Briefe 1934-1938. Ein Blatt der katholischen Emigration, 2 Bde. Mainz 1969, hier: Bd. 2, 550.

  5. "Völkischer Beobachter" vom 03. Mai1937.

  6. Mescheder Zeitung vom 25.126. Juli1934.

  7. ebd.

  8. Rundbrief der Schule 1952,S.

  9. Verfügung

  10. Vgl. den von Dr. Schoppmeyer erstellten Jahresbericht über das Schuljahr 1940/41, S. 7 - Schularchiv -.

  11. Verfügung vom 12. August 1941, Az.: III 227 F. Erlaß des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 06 August 1941 - E III c 1911/41, - Schularchiv -.

  12. Schreiben vom 08. September 1941, - Schularchiv -.

  13. Antrag vom 04. September 1942 u. Eingangsbestätigung der Schulbehörde in Münster vom 17. September 1942, - Schularchiv -.

  14. Verfügung vom 01. April 1943, Az.: E III c 481/43, - Schularchiv -.

  15. Anlage zur Schulchronik, - Schularchiv -.

  16. "WLZ - Rote Erde" vom 17. Februar 1944.

  17. ebd.

  18. Lateinische Schulgrammatik, verfaßt v. Dr. Georg Rathke, Bielefeld u. Leipzig 1941, VI.

  19. Erlaß vom 18. Dezember 1943, Az.: I 6020/43, - Schularchiv -.

  20. Aus der Schulchronik ist deutlich zu ersehen, da8 ab 1936 mehr Gewicht auf die körperliche Ertüchtigung gelegt wurde. Allerlei Sportgeräte wurden neu angeschafft. Die Schüler erwarben den Grundschein der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, das Freischwimmerzeugnis und das Reichssport-Jugendabzeichen. Diese Aktivitäten gehen nun in die Hand der HJ über.

  21. Protokollbuch 1941, - Schularchiv -.

  22. Jahresbericht über das Schuljahr 1940/41, S. 10-11. - Schularchiv -.

  23. In einem Schnellbrief vom 29. Juni1940 an alle Schulen in der Provinz Westfalen hatte der Reichserziehungsminister auf die Bedeutung der Altmaterialsammlung hingewiesen. "Die Schulkinder, die während der Ferien zu Hause bleiben, sind nochmals darauf hinzuweisen, daß die Sammlung von Altmaterial Kriegsdienst ist und deshalb die Mühe, ein bis zweimal in der Woche die erfaßten Altstoffe auch während der Ferien in die Schule zubringen, nicht gescheut werden darf." Brief v. 29. Juni 1940, Az.: E II a 1562, E III, - Schularchiv -

  24. ebd. S. 9-10. Bereits mit Schreiben vom 24. Oktober 1939 hatte der Oberpräsident der Provinz Westfalen auf die Bedeutung der Kräutersammlung hingewiesen. Er bezog sich dabei auf eine Anordnung des Stellvertreters des Führers vom 22. Oktober 1939, die besagte: "Es ist erforderlich, die zur Ernährungssicherung angeordnete Sammelaktion der Jugend zur Gewinnung von Haustee, Waldfrüchten und Pilzen in erweitertem Maße durchzuführen. Trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit besteht bei richtigem Einsatz die Möglichkeit, noch eine große Menge an Nähr- und Heilswerten aus Wald und Flur für die Volkswirtschaft und Volksgesundheit nutzbar zu machen." Anordnung v. 24.10.1939, Az.: A VIII/2 - Schularchiv -.